Domorganist Franz Josef Stoiber landete erst nach Zwischenstationen bei der Königin der Instrumente – Der Orgelvirtuose im Porträt

Lebenslauf mit Kehrtwenden

Franz Josef Stoiber ist am 24. September 1959 in Straubing geboren und in Oberpöring an der Isar im südwestlichen Landkreis Deggen­dorf aufgewachsen. Von der als „Natur pur“ erlebten Einöde, in der die großväterliche und väterliche Familie eine Mühle samt Landwirtschaft betrieb, kam der Elfjährige ans Bischöfliche Knabenseminar nach Passau, eine für ihn damals „völlig neue Welt“ – nicht nur, weil es eine halbe Weltreise von Oberpöring nach Passau war, sondern weil der Junge hier auf eine Bibliothek und auf Musikinstrumente traf.
Der Dom und die Passauer Dom­orgel mit ihrem spezifischen Klang brannten sich derart unvergesslich in sein Gedächtnis ein, dass sie ihm noch heute in den Sinn kommen, „wenn ich im Regensburger Dom zum Orgelspielen anfange“.
In Passau fand der heutige Regensburger Domorganist „so richtig zur Musik“. Hier erhielt er Klavierunterricht und entwickelte sehr schnell den Ehrgeiz, „der Beste zu werden“. Mit einem älteren Cousin, bei dem er schon vor dem offiziellen Unterricht die ersten Klavierschritte gemacht hatte, spielte er bald vierhändige Duos. Zudem entdeckte der junge Franz seine Fähigkeit zum Arrangieren und Komponieren. Das Spektrum seiner instrumentalen Interessen erstreckte sich im Laufe der Zeit auch auf Gitarre, Violoncello und Posaune, eine Vielseitigkeit, die etwa in einer Blasmusikgruppe und einer Popband Betätigung fand.
Folgenreiches
Missverständnis
Zur Orgel kam Franz Josef Stoiber auf Umwegen. „Ich war 14, 15 Jahre alt“, erzählt er, „als mich ein Anruf des Seminardirektors ereilte, der auf der Suche nach einem Organisten war.“ Zuerst dachte Stoi­ber an ein Missverständnis und wies darauf hin, dass er zwar Klavier, aber nicht Orgel spiele. Als der Direktor nicht lockerließ, gab er schließlich nach: „Wenn Sie wirklich niemanden finden, dann mach’ ich’s.“ Zunächst war viel „learning by doing“ gefragt, vor allem weil bei der Orgel anders als beim Klavier auch ein umfangreiches System von Fußtasten bedient werden muss: „Ich habe mit den Pedalen ziemlich herumprobiert, bis es wirklich nach Orgel klang.“ Ein weiteres Problem bestand darin, dass die vorhandenen Orgelnoten für Stoi­ber zunächst noch zu schwer waren. Deshalb spielte er anfangs nur nach den einstimmigen Noten des Gesangbuchs und harmonisierte die Kirchenlieder selber, wobei ihm zweifellos seine Erfahrung beim Arrangieren zugutekam. Heute kann der weithin bekannte Orgelvirtuose sagen: „Es war der Anfang der Improvisation, die später eine so große Rolle in meiner Laufbahn spielen sollte.“
Nachdem Franz Josef Stoiber auf diese Weise zwei Jahre lang als Liebhaber­organist tätig war – immer dienstags, freitags und sonntags –, wollte er doch Nägel mit Köpfen machen und erhielt von nun an Unterricht beim damaligen Passauer Domorganisten Walther R. Schuster, einem Schüler von Karl Richter. Weil neben Orgel, Klavier und den vielen weiteren Instrumenten auch das Singen im Chor zur Praxis des musikalischen Allroundtalentes gehörte, lautet Stoibers Fazit über seine Passauer Seminarzeit: „Das alles war der absolute Grundstein für das, was später kam.“
Winke des Schicksals
Allerdings war nach dem Abitur noch einmal ein Umweg angesagt: „Ich habe nicht gleich mit dem Musikstudium angefangen, sondern erst einmal ein kleines Intermezzo mit klassischer Philologie an der Universität Regensburg eingelegt.“ Die Überzeugung, für Latein und Griechisch noch besser begabt zu sein als für die adäquate Interpretation von Bach und Mozart, führte zu dieser Studienentscheidung, verhinderte aber nicht, dass Stoiber nebenbei Orgelstunden beim damaligen Regensburger Domorganisten Eberhard Kraus nahm und Leiter des Altphilologenchors an der Uni wurde. Dass ihm bei Letzterem sein Kommilitone Norbert Blößner, ein ehemaliger Domspatz, als Stimmbildner und Mitsänger assistierte, mag als früher Wink des Schicksals für seine spätere intensive Zusammenarbeit mit den Regensburger Domspatzen interpretiert werden. Definitiv schicksalhaft war es, dass Stoiber im Altphilologenchor auch seine Frau Andrea kennenlernte. Der glücklichen Ehe mit der Lehrerin für Religion und Latein entstammen zwei mittlerweile erwachsene Kinder: Sebastian, der ein Domspatz wurde, und Dorothea.
Nach sechs Semestern wurde Franz Josef Stoiber allerdings endgültig den alten Sprachen abtrünnig. Er wechselte an die Musikhochschule Würzburg und studierte von 1982 bis 1986 die kirchenmusikalischen Fächer Orgel, Dirigieren und Stimmbildung. Anschließend war er hauptamtlicher Assistent des Domkapellmeisters am Würzburger Dom und Vertreter des dortigen Dom­organisten. 1989 folgte er dem Ruf als Dozent für Tonsatz und Orgel an der Fachakademie für katholische Kirchenmusik in Regensburg. Seit 2003 ist er an dem mittlerweile zur Hochschule erhobenen Institut Professor für Orgelimprovisation und fungierte von 2003 bis 2011 zwei Perioden als Rektor der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik (HfKM), eine Funktion, die er seit 1. Oktober 2023 erneut ausübt. Regensburger Domorganist ist Franz Josef Stoiber in der Nachfolge von Eberhard Kraus seit 1996 – anders als sein Vorgänger nebenamtlich, weil ihm so genügend Zeit für seine umfangreiche Lehrtätigkeit und seine Konzertreisen bleibt. Karl Birkenseer

14.02.2024 - Bistum , Bistum Regensburg